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26. Mai 2008 18:56

"Vom Himmel fällt kein Pfannkuchen"

Zhihong Shang und Han Song aus China sind vor 20 Jahren nach Wien gekommen - und haben sich hier als Geigenbauer etabliert

Ein chinesisches Sprichwort heißt: Vom Himmel fällt kein Pfannkuchen. "Für eine Karriere braucht man nicht nur gute Chancen, sondern man muss auch fleißig sein", meinen Zhihong Shang und Han Song. So hat das Ehepaar aus China es geschafft, sich in Wien als Geigenbauer zu etablieren. In ganz Europa gibt es nur vier Geigenbauer aus Asien. Seit 1995 haben sie eine eigene Werkstatt, seit 1997 befindet sich diese in der Wiedner Hauptstraße.

Beide stammen aus einer Musikerfamilie und haben als Kinder angefangen, Klavier zu spielen. Ab 1964 waren westliche Musik und Kultur in China verboten. "Unsere Musikinstrumente wurden von Rotgardisten eingezogen", erzählt Han Song. Zehn Jahre später durften westliche Musikinstrumente wieder gespielt werden - solange man Mao und die Kulturrevolution besang. "Ich habe damals Geige gelernt, mein Mann Cello", sagt Frau Shang.

1984 kam sie mit der transsibirischen Eisenbahn nach Wien, mit 200 US-Dollar in der Tasche. Mit der Geige in der Hand, die sie selber gemacht hatte, ging sie auf Jobsuche. Am zweiten Tag nach der Ankunft nahm sie die Firma Federico Goldnagl auf, als einzige Ausländerin im Geigenbau. Ihr damaliger Verlobter Han Song kam ein Jahr später nach Wien.

Ihr Handwerk lernten die beiden an der Musikhochschule Shanghai, als zwei von zehn Studenten. Geigenbau war damals, nach 1978, ein neues Fach. "Der Professor sagte uns immer: Geigenbau ist nicht nur eine Technik, sondern auch eine Kunst. Das ist unser Motto. Wahrscheinlich sieht man das Motto in den Geigen, die wir gebaut haben. Deswegen konnten wir damals in Wien ohne Probleme einen Job finden", sagt Frau Shang.

Auf die Frage, wie sie sich gegenüber ihren Konkurrenten behaupten können, sagt Han Song: "Wir sind fleißig, arbeiten ganz genau. Als Geigenbaumeister wissen wir genau, was für einen Klang die Musiker wünschen und wo die Probleme ihrer Instrumente liegen." In China, erzählt Shang, habe man trotz großer Verbesserungen wenig Chancen, Meistergeigen zu sehen. "Viele Geigen von unterem Niveau aus dem Ausland werden als Kostbarkeit kopiert. Außerdem gibt es in China im Moment noch zu wenig gute Geigenkenner."

Wollen sie eines Tages nach China zurück? "Vielleicht ja, wenn wir im Ruhestand sind", sagt Shang. Nach 20 Jahren in Wien sei ihnen ihr Heimatland aber auch fremd geworden. Auf dem Markt müssen sie manchmal schon den Preis für Ausländer zahlen. Eine nette Dame habe ihnen dann das Geheimnis verraten: "Auf den ersten Blick weiß man schon, dass Sie Auslandschinesen sind: weil Sie zwei Kinder haben." (Zhou Hui/DER STANDARD, Printausgabe, 27.5.2008)

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Zur Person Zhou Hui (37) ist Vizedirektorin des Konfuzius-Instituts an der Sinologie der Uni Wien. Nächsten Dienstag: Porträt eines Wanderarbeiters. derStandard.at/Archiv - Recherchieren in mehr als 200.000 Artikeln